05.05.2023 09:00
© Artcurial 2022
La belle et la bête
Erstversion 1810 / Replik ca. 1812
Öl auf Eichenholz
65,0 x 51,8 x 0,5 cm (Gemälde)
82,5 x 69,3 x 8,8 cm (Gemälde inkl. Rahmen)
Inv.-Nr. 2022.180
Seit kurzem darf sich LETTER Stiftung über das satirische Gemälde "La belle et la bête" (Die Schöne und das Biest) von Antoine Dubost (1769-1825) freuen, welches 2022 auf dem Pariser Kunstmarkt erworben werden konnte. Es handelt sich um eine Replik des zerstörten Originals, das einst großes Aufsehen erregte. Um so bedeutsamer erscheint diese wohl einzige Zweitversion.
Inmitten eines mit Vorhängen drapierten und antikisierenden Bildwerken und Möbeln bespielten Innenraums zeigt sich eine Szene zwischen einer jungen, schönen Frau und einem affenähnlichen Wesen mit menschlicher Physiognomie. Die Dame in klassizistischer Kleidung blickt theatralisch zur Decke und gestikuliert abwehrend in Richtung des sitzenden Mischwesens, welches ihre rechte Hand festhält. Während das haarige Geschöpf schmollend den Blick zur Dame hebt, öffnet es mit seiner Rechten eine mit Goldmünzen befüllte Truhe. Auf der Deckelinnenseite läßt sich der Künstlername und Entstehungsort "DUBOST LONDON" ablesen. Vor der Truhe befindet sich eine geöffnete Schatulle mit einem ausgerollten Schriftstück, auf dem steht: "Welcome Beauty, Banish fear, You Are queen And Mistress here, Speak your Wishes Speak your Will Swift obedience Meet them still" ("Willkommen Schönheit, verbanne die Angst, Du bist hier Königin und Herrin. Sprich deine Wünsche, sprich deinen Willen, Schneller Gehorsam erfüllt sie noch."). Es ist ein Auszug aus der englischen Übersetzung des französischen Märchens "Die Schöne und das Biest" von Jeanne-Marie Leprince de Beaumont (1711-1780) von 1756. Ein weiterer Auszug "BEAUTY´S APARTEMENT" läßt sich an der Zarge eines Konsoltisches ablesen. Anhand der im Bild plazierten Hinweise werden die Dargestellten als "Die Schöne und das Biest" identifiziert.
Das Interieur erschließt sich als ein Ensemble aus Bildhauerkunst sowie klassizistischem antikisierendem Mobiliar und Dekor. Es besteht unter anderem aus einem Konsoltisch mit Karyatiden-Beinen, darauf eine verzierte, gehenkelte Deckelvase und daneben ein Scherensessel. Ein Totenschädel auf einem weiteren dieser Sitzmöbel am vorderen rechten Bildrand deutet auf den Aspekt des Memento Mori hin. Im Hintergrund links befindet sich eine auf einem verzierten Sockel stehende, marmorne Skulpturengruppe, die als "Aurora raubt Cephalus" von John Flaxman (1755-1826) zu identifizieren ist (Abb. 1). Die von Dubost gemalte Einrichtung basiert auf einer Abbildung (Abb. 2) in der zeitgenössischen Publikation "Household Furniture and Interior Decoration Executed from Designs by Thomas Hope". Hierin schlüsselt Hope die Gestaltung seines Hauses in der Duchess Street in London – von Grund- und Aufrissen bis hin zu Möbeln und Einrichtung – auf und damit auch den sog. "Aurora-Room", der im vorliegenden Gemälde detailgetreu wiedergegeben wird.
Thomas Hope (1769-1831), Sohn einer Bankiers-Familie, war ein geschätztes Mitglied der Londoner Gesellschaft, vornehmlich durch seine Kunstsammlung bekannt, aber auch als Schriftsteller, Zeichner und Entwerfer von Möbeln geschätzt.
Abb. 1 John Flaxman Aurora raubt Cephalus 1789-1792 Marmor, 145,0 x 102,0 67,0 cm National Museums Liverpool, Lady Lever Art Gallery, LL713, London |
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Abb. 2 |
Die Bekanntschaft zwischen dem Künstler Antoine Dubost und dem Sammler Thomas Hope wurde besonders durch ihren Rechtsstreit publik, welcher in der Zerstörung von Dubosts Erstversion dieses Gemäldes gipfelte. Nachdem Hope 1807 das von Dubost gemalte und in der zeitgenössischen Kritik überaus gelobte Werk "Damokles" erwarb, beauftragte er ihn mit weiteren Arbeiten. Beim vorerst letzten Werk schuf der Künstler das Porträt von Hopes Frau Louisa (um 1783–1851) mit einem seiner Söhne, welches 1808 in der Royal Academy ausgestellt wurde und schlechte Kritik erhielt. Deshalb kursierten Gerüchte, daß "Damokles" in Wirklichkeit nicht von Antoine Dubost, sondern von Jacques Louis David (1748-1825) stamme. Kurzum entfernte Hope die Künstlersignatur, indem er diese vom oberen Teil des Gemäldes abschnitt. Als Reaktion auf Hopes Eingriff folgte 1810 seitens des gekränkten Künstlers die Erstversion von "La belle et la bête" mit den Physiognomien des Ehepaars Hope (Abb. 3-4). Hope empfand diese Darstellung als zutiefst beleidigend. Das satirische Gemälde wurde daraufhin durch Louisa Hopes Bruder John Beresford bei einem Besuch im Atelier des Künstlers in der Pall Mall Street 65 in London zerstört. Dubost forderte im folgenden Gerichtsverfahren eine Entschädigung in Höhe von 1.000 Guineas, lediglich 53 Guineas wurden ihm zugestanden.
Abb. 3
Henry Bone
Thomas Hope
1813
Emaille, 11,4 x 10,2 cm
Hubert de Lisle
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Abb. 4
Martin Archer Shee
Louisa Hope
1807
Öl auf Leinwand, 234,0 x 132,0 cm
The Hon. Mrs. Everard de Lisle,
London
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Bei dem nun durch LETTER Stiftung erworbenen Gemälde handelt es sich um eine eigenhändig durch Dubost geschaffene Replik von "La belle et la bête", welche nach dem Original 1810 und vor seiner Abreise aus London 1813 wohl noch dort entstand. Warum der Künstler das Gemälde ein zweites Mal anfertigte, darüber läßt sich nur mutmaßen. Womöglich gelangte es durch Dubost Rückkehr nach Frankreich.
Im Zuge von Nachforschungen zur Provenienz erhielt LETTER Stiftung die Information, daß das Gemälde in den 1950er Jahren durch die Mutter des Einlieferers bei einem Antiquitätenhändler im Pariser Batignolles-Viertel erworben wurde. Die Rahmenrückseite des Gemäldes ist rechts oben mit einem historischen Aufkleber (wohl 19. Jh.) eines Pariser Rahmenmachers nahe des Place des Victoires versehen, über den bislang nur sehr wenig bekannt ist.
Zweifelsohne ist das satirische Gemälde "La belle et la bête" das Ergebnis eines in der Öffentlichkeit und wortsinnig auf Kosten des Kunstwerks ausgetragenen Zerwürfnisses zwischen dem Künstler Antoine Dubost und dem Kunstsammler Thomas Hope, welches durch die Entdeckung und den Erwerb der Replik noch einmal thematisiert werden konnte.
Madeleine Falk