Wer kennt es?

"Die Klosterruine von Frauenalb"

01.04.2022 09:00

Umschlag mit 6 Linolschnitten

Abb. 1   Blick auf Frauenalb (Batt 1), Inv.-Nr. 2020.84.1

 

 

 

Luise Rühl (biographisch nicht nachgewiesen)

Die Klosterruine von Frauenalb

um 1925
Umschlag mit 6 Linolschnitten
36,9 x 30,2 cm (Umschlag)
24,2 x 18,4 cm (Blätter max.)
Inv.-Nr. 2020.84.1-7

 

 

Das kurz vor 1185 gegründete Stift und spätere Kloster Frauenalb (Abb. 1), gelegen zwischen Marxzell und Bad Herrenalb im nördlichen Albtal, erlebte Brände und Plünderungen; es diente nach der Säkularisierung 1803 als Militärlazarett, später als Fabrikstandort und verkam letztlich zur Ruine. 1930 wurde mit der Instandsetzung begonnen, 1959 erwarb eine eigens gegründete Stiftung die Anlage, und inzwischen sorgt ein „Förderverein Kultur in der Klosteranlage Frauenalb e.V.“ für die Nutzung als Kulturstätte für Konzerte und anderes mehr.

 

Während also die Erinnerung an die Geschichte des Ortes gepflegt wird, wissen wir praktisch nichts über die Künstlerpersönlichkeit, die den idyllisch gelegenen Ruinen wohl in den 1920er Jahren eine Folge von Linolschnitten widmete. Die Handschrift auf den sorgfältig bezeichneten Drucken läßt eine Frau vermuten: Sie signierte L. Rühl und bildete ein schlichtes Monogramm aus den Initialen ihres Namens (Abb. 2). Durch den Vorbesitzer ist überliefert, daß der Vorname Luise lautete – in den gängigen Nachschlagewerken sind jedoch weder Luise, noch alternativ eine Lene, Lilly, Lisbeth, Lise oder etwa Lotte Rühl dokumentiert.

 

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Abb. 2

Monogramm und Signatur
(Detail von Blatt 3, Inv.-Nr. 2020.84.3)

 

Ob es sich um dieselbe Luise Rühl handelt, der ihre Tanten und Onkel aus dem bayerischen Ansbach zu Weihnachten 1907 eine Vita in Collagenform schenkten, ist ungeklärt (Leipzig, Sächsisches Auktionshaus und Antiquariat Johannes Wend, Auktion 29, 14.11.2020, Lot 74). Laut Text zum Objekt war diese Luise Rühl mit dem bislang ebenfalls weiter nicht nachgewiesenen Künstler (?) Erich Bruhns verheiratet. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie wohl als Lehrerin, das Malen – nicht genannt wird die Graphik – wird lediglich als eine von mehreren Beschäftigungen thematisiert.

 

Der vorliegenden Serie ähnliche Publikationen zu deutschen Gegenden und Sehenswürdigkeiten waren neben der sich seit 1860 durchsetzenden Reisephotographie als Souvenirs ausgesprochen beliebt. Sie wurden durch Verlage vergleichsweise günstig produziert und in großer Zahl vertrieben. Das hier vorliegende Werk allerdings erschien offenbar im Selbstverlag der Künstlerin wohl ebenfalls in Auflage – zumindest läßt dies die eigenhändige Bezeichnung Restdruck auf einem zweiten Umschlag mit einer Reihe weiterer, unsignierter Abzüge vermuten (Abb. 3). Auf den bezeichneten Drucken vermerkte sie die aufwendige Herstellungsweise mittels der per Hand betriebenen Presse. Demnach war die Auflage vermutlich vergleichsweise gering, womöglich im niedrigen zweistelligen Bereich.

 

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Abb. 3

Detail der Umschlagvorderseite eines unsignierten Restexemplars

 

Da die dabei als Druckträger verwendeten Platten wesentlich leichter zu handhaben waren als Holz, konnten Linolschnitte problemlos auch von Autodidakten hergestellt werden. Die trotz der sparsam eingesetzten Mittel atmosphärisch nachgebildete Landschaft sowie das Gespür für reizvolle Blickwinkel und graphische Effekte (Abb. 4) verraten jedoch eine geübte Hand – vermutlich durch privaten Unterricht oder an einer Mal- oder Kunstgewerbeschule, die im Gegensatz zu den Kunstakademien für Frauen auch vor 1918 zugänglich waren. Das ungelenke Schriftbild des Titelschildes spricht eher gegen die kunsthandwerkliche Ausbildung, während derer auch Grundlagen der Typographie und das spiegelverkehrte Schreiben vermittelt wurden. Die – aufgrund wirtschaftlichen Mangels? – einfache Gestaltung des Umschlages steht jedenfalls etwas im Gegensatz zu den mit einigem Geschick ausgeführten Drucken: Die Motive selbst sind schlicht, wirken aber trotz der eher flächenbetonten Linolschnittechnik malerisch.

 

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Abb. 4   Die Kirche vom Konventgarten aus (Blatt 3), Inv.-Nr. 2020.84.3

 

Der sich darin äußernde Anspruch einer inzwischen offenbar vergessenen Luise Rühl, etwas Bleibendes zu schaffen, ist ein Ansporn, mehr über das Leben und den Werdegang der Künstlerin herauszufinden.

 

Sachdienliche Hinweise sind uns daher sehr willkommen!

 

Petra Aescht

 

 

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