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„Ariadne auf dem Panther“ als Dauerleihgabe an das Martin von Wagner Museum

14.06.2022 09:00

Die polylithe Zweitfassung von Johann Heinrich Danneckers (1758-1841) Skulptur als Dauerleihgabe in Würzburg

 

Johann Heinrich von Dannecker  (Entwerfer)  (Stuttgart 1758 - 1841 Stuttgart)
Landolin Ohmacht  (Ausführender zur Ariadne)  (Dunningen 1760 - 1834 Straßburg)
Friedrich Distelbarth  (Ausführender zum Panther)  (Ludwigsburg 1768 - 1836 Stuttgart)
 

Ariadne auf dem Panther

Polylithe, größenreduzierte Version der 1803 entworfenen und 1804-1814 in Marmor umgesetzten Gruppe, ausgeführt unter Mitwirkung mehrerer Dannecker-Mitarbeiter und (ehemaliger) -Schüler für den Herzog von Oldenburg
1803 (Modell) / 1804-1814 (Marmor) / wohl 1828-1829 (Ausführung)
Alabaster, Kalkstein
79,8 x 68,9 x 34,0 cm (Skulptur inkl. Terrainplinthe)
Inv.-Nr. 2005.68

 

 

Unlängst gelangte Johann Heinrich Danneckers (1758-1841) berühmte Skulptur „Ariadne auf dem Panther“, jenes seinerzeit meistreproduzierte „moderne“ Bildwerk Europas, als Dauerleihgabe von LETTER Stiftung an das Martin von Wagner Museum der Universität zu Würzburg. Jedoch nicht das im Zweiten Weltkrieg schwer versehrte Marmororiginal des Frankfurter Liebieghauses, sondern jene polylithe Zweitfassung, die unter Danneckers Leitung durch seine Schüler Friedrich Distelbarth (1768-1836) und Landolin Ohmacht (1760-1834) wohl um 1828-1829 als maßstäbliche Reduktion (79,8 x 68,9 x 34,0 cm) entstand. Dabei hätte es diese Version aus zwei Gründen gar nicht geben dürfen: Erstens widerspricht sie in ihrer Mehrfarbigkeit eindeutig dem kanonischen Postulat eines klassizistischen Winckelmann-Weiß. Und zweitens hatte sich Dannecker gegenüber dem Erwerber der Großfassung (1804-1814), dem Frankfurter Bankier Simon Moritz von Bethmann (1768-1826), verpflichtet, sie selbst nicht zu reproduzieren.

 

Nun hatte jedoch der Künstler in Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Gottorp-Oldenburg (1755-1829) seinen damals bedeutendsten Auftraggeber; kaum konnte er dessen zahlreichen Aufträgen zu Büsten bis zu Grabdenkmälern nachkommen. Nachdem der Herzog schon etwa eine Kopie der ikonischen Schiller-Büste des Bildhauers besaß, war sein Drängen auf eine Replik der Ariadne so verständlich wie unabweisbar. Dannecker griff bei dieser „apokryphen“ Version auf frühe Modellstadien seiner Schöpfung zurück und kompilierte diese mit der definitiven Frankfurter Version (öffentliche Aufstellung 1816). Außerdem erwies er dem Erstmodell seines Tieres – dergleichen Raubkatzen waren im Schwäbischen kaum in natura anzutreffen – eine ästhetische Reverenz: Die damals als antik geltende Kleinbronze eines paduanischen Meisters des frühen 16. Jahrhunderts besaß wahrscheinlich exakt jene Alterspatina, an welche der dunkel-grünliche Kalkstein erinnert – als Material so selten, daß bislang keine mineralogische Herkunftseinordnung erfolgte. Ihn und damit den Tierkörper dürfte Friedrich Distelbarth verantwortet haben, der als versierter Antiken-Restaurator und -Ergänzer u.a. für den Pariser Louvre tätig gewesen war. Den Mädchenkörper und die Draperie, beide aus einem selten großen Stück allerfeinsten Alabasters von hoher Transluzidität verfertigt, schuf der in eben diesem Material reüssierende Bildhauer und Danneckers Ex-Schüler Landolin Ohmacht. Nach Generationen in und nahe Oldenburg gelangte das Stück aus dortigem Hofadel in den Kunsthandel und konnte 2005 zugunsten von LETTER Stiftung erworben werden (Inv.-Nr. 2005.68).

 

Jetzt fand es seine neue Heimat nicht von ungefähr in Würzburg: Der Namenspatron (1777-1858) des Museums, selbst intimer Kenner antiker Bildhauerei, der als Kunstagent König Ludwigs I. (1786-1868) von Bayern diesem u.a. das römische Sarkophagrelief (heute in der Münchner Glyptothek) einer gemeinsamen Fahrt von Bacchus und Ariadne im panthergezogenen Wagen verschafft hatte, war zur Zeit der Entstehung der Frankfurter Fassung zu Gast im Stuttgarter Bildhaueratelier gewesen. Außerdem besitzen sowohl Antiken- wie auch Kunstsammlung der Würzburger Universität mancherlei Bildzeugnisse, von der Vasenmalerei über Gemälde bis zur Handzeichnung jüngerer Zeit, gerade zum Ariadne-Mythos. Dies schilderte angesichts zahlreicher ausgestellter Bildbelege Damian Dombrowski, Direktor des Martin von Wagner Museums, anläßlich des Festaktes, in dessen Rahmen die Skulptur am 14. Juni 2022 auf ihrem eigens gefertigten Sockel im Museum enthüllt wurde; ihm schlossen sich vor zahlreichem Publikum die Ausführungen von Bernd Ernsting zu ihren Entstehungsumständen an. Den Abend krönte ein Konzert im Rahmen des aktuellen Mozart-Festivals, wobei Georg Anton Bendas (1722-1795) Duodrama „Ariadne auf Naxos“ (1775) zur deklamierten Aufführung in den prachtvollen Residenzsälen gelangte, vertont nach jenem Libretto, welches auf der gleichnamigen Kantate von Heinrich Wilhelm von Gerstenberg (1737-1823) beruht.

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